Um Häftlinge vor dem Suizid zu bewahren, richten Gefängnisse besondere Zellen ein. Darin werden die Häftlinge ständig beobachtet. Wie das funktioniert, hat sich Dlf-Korrespondent Bastian Brandau in der JVA Leipzig angesehen.
Im Suizidpräventionsraum der JVA Leipzig werden die Häftlinge sogar auf der Toilette beobachtet. Eine hüfthohe Wand verdeckt zwar die Toilettenschüssel. Füße und Kopf ragen aber darüber hinaus, wenn dort jemand sitzt. Gut sichtbar für den Justizbeamten, der im Nachbarzimmer hinter einer großen Glaswand sitzt. Die ständige Beobachtung soll Suizide verhindern. Durch ein kleines Fenster können die Beamten auch mit den Häftlingen sprechen.
"Beziehungsangebot" nennt das die Gefängnispsychologin Nicole Borchert.
"Manchmal sind das einfach nur kleine Wortwechsel, damit derjenige sich nicht verfolgt fühlt, sondern das Ganze auch als ein Stück Fürsorge erleben kann."
Direkt bei der Aufnahme eines neuen Häftlings wird in der JVA Leipzig eingeschätzt, ob eine Person suizidgefährdet ist. Hat der Häftling schon einmal versucht, sich das Leben zu nehmen? Hat er eine lange Haft zu erwarten? Besteht ein Alkohol- oder Drogenproblem? Alles Faktoren, die auf eine höhere Suizidgefahr hinweisen können.
Zellen alleine ersetzen keine Therapie
Besonders heikel sind die ersten Wochen in Haft, sagt Gefängnispsychologin Borchert. Auch nach rund sechs Monaten im Gefängnis, wenn eine gewisse Routine eingekehrt ist, gebe es ein erhöhtes Suizidrisiko.
Akut gefährdete Häftlinge können im Suizidpräventionsraum untergebracht werden. Einen Häftling dorthin zu verlegen, ist allerdings eine schwierige Entscheidung. In der Zelle hat er so gut wie keine Privatsphäre mehr. Außerdem steht für die insgesamt bis zu 450 Insassen in der JVA Leipzig nur eine Suizidpräventionszelle zur Verfügung.
"So verschafft man sich Zeit und Sicherheit. Aber Räume sind niemals eine Behandlungsmethode. Sie helfen nur, dass man in Ruhe nachdenken kann: Was braucht derjenige jetzt?"
Jedes Jahr gibt es in deutschen Gefängnissen etwa 100 Suizide. In der JVA Leipzig gab es im Dezember 2016 einen besonders spektakulären Fall: Der Terrorverdächtige Jaber Al-Bakr nahm sich kurz nach der Verhaftung in seiner Zelle das Leben. Weil ein Dolmetscher fehlte, wurde das Suizidrisiko nicht erkannt.
Lehren aus dem Suizid eines Terroverdächtigen
Dieser Fall schreckte die Justiz auf. Zumal Sachsen als führend in der Suizidprävention galt. Mit einem Terrorverdächtigen, der eben auch eine Gefahr für andere Häftlinge und die Justizbeamten darstellte, hatte man schlicht keine Erfahrung.
"Wir hatten keine Zeit, gut zu überlegen, was wir wie tun müssen. Und dann war die Zeit zu kurz. Das hat jeden hier betroffen gemacht."
Inzwischen wurden in den sächsischen Gefängnissen weitere Zellen für suizidgefährdete Häftlinge umgebaut. Ohne Gitterstäbe, ohne Heizungsrohre und nur mit fest verbauten und schwer zu zerstörenden Möbeln. Die Insassen sollen sich nicht selbst verletzen können. Hier können Häftlinge auch langfristig untergebracht werden. Auch die psychologische Betreuung wurde ausgeweitet.
Ein gutes Zeichen: In diesem Jahr gab es in der JVA Leipzig bisher keinen Suizidversuch.
Hilfe im Notfall
Wenn du selbst Suizidgedanken hast, versuche, mit anderen Menschen darüber zu sprechen. Das können Freunde oder Verwandte sein, es gibt aber auch viele andere Hilfsangebote. Dort kannst du – auch anonym – mit anderen Menschen sprechen. Eine Übersicht der Angebote findest du zum Beispiel bei der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention.
Sofortige Hilfe erhältst du rund um die Uhr bei der Telefonseelsorge unter den kostenlosen Rufnummern 0800 - 111 0 111 und 0800 - 111 0 222. Und im Internet unter telefonseelsorge.de.