Für die gebürtige Hamburgerin spielten ihre griechischen Wurzeln im Alltag kaum eine Rolle - bis Linda Zervakis Tagesschausprecherin wurde. Seitdem setzt sie sich bewusst damit auseinander.

Die Frage nach ihren griechischen Wurzeln hat sich für Linda Zervakis erst sehr spät gestellt. Für sie war klar, dass sie Hamburgerin und Deutschland ihre Heimat ist.

Als sie 2013 als Sprecherin bei der Tagesschau beginnt, ist sie nicht mehr einfach Hamburgerin, sondern die erste Tagesschausprecherin mit Migrationshintergrund. Dabei war ihr es von Anfang an viel wichtiger, einen guten Job zu machen und fehlerfrei abzuliefern.

Wenn plötzlich die Öffentlichkeit die eigene Wahrnehmung verändert

Anfangs hat es Linda Zervakis überrascht, dass sie so wahrgenommen wird, weil ihre griechischen Wurzeln zwar ein Teil von ihr sind, aber nie vordergründig eine Rolle in ihrem Alltag gespielt haben.

"Ich bin auch froh, dass ich zwei Pässe habe, weil das genau widerspiegelt, wie ich mich fühle. Ich fühle mich weder nur deutsch oder nur griechisch. Ich bin beides."
Linda Zervakis, Tagesschausprecherin
Moderatorin und Tagesschausprecherin Linda Zervakis.
© imago images | Future Image
Jahrelange Erfahrung als Nachrichtensprecherin im Radio helfen Linda Zervakis das Casting bei der Tagesschau 2013 für sich zu entscheiden.

Erst später begibt sie sich mit ihrer Mutter auf eine Reise durch das Herkunftsland der Eltern. Linda Zervakis merkt sofort Ähnlichkeiten zwischen ihrer Mentatlität und der ihrer griechischen Verwandten.

"Etsikietsi - Auf der Suche nach meinen Wurzeln"

Über die vielen Einblicke in die griechische Kultur, die sie auf dieser Reise hat, berichtet sie in ihrem Buch: "Etsikietsi - Auf der Suche nach meinen Wurzeln". Übersetzt bedeutet etsikietsi so viel wie so lala. Darin erzählt sie von den Träumen, die ihr ihre Mutter offenbart, der Einladung zu einer überbordenden griechischen Hochzeit und dem Wiedersehen mit ihrer gutmütigen Tante, die kein Telefon mehr hat, damit sie nicht zum wiederholten Male von Trickbetrügern ausgeraubt wird.

"Früher habe ich gedacht, Heimat muss ein Ort sein. Heute finde ich, das können auch bestimmte Gefühle sein. Bei mir ist Hamburg die Stadt, in der ich geboren wurde, aufgewachsen bin und in der ich immer noch lebe, das ist für mich Heimat. Heimatgefühle entstehen bei mir aber, wenn ich in Griechenland bin."
Linda Zervakis, Tagesschausprecherin

Früher habe sie immer geglaubt, dass Heimat ein Ort sein müsse, sagt die Moderatorin. Inzwischen hat sie selbst den Begriff für sich erweitert: Es können auch bestimmte Gefühle sein, die sie mit Heimat verbindet. Für Linda Zervakis ist Hamburg ihre Heimatstadt. Wenn sie in Griechenland ist, dann entstehen bei ihr sofort Heimatgefühle, obwohl sie nie länger als sechs Wochen dort gelebt hat.

Auslandsjahr in der Rente nachholen

Nach ihrem Schulabschluss wäre Linda Zervakis gerne für ein Jahr ins Ausland gegangen, das war aber nicht möglich. Deshalb wünscht sie sich, wenn sie später in Rente geht, für ein halbes oder in ganzes Jahr in Griechenland zu leben und zu sehen, was vielleicht an ihr selbst "griechischer" ist, als sie es bisher wahrgenommen hat.

Sie möchte dadurch nicht nur das Land besser kennenlernen, sondern auch sich selbst, sagt sie.

Im Interview mit Deutschlandfun-Nova-Moderator Sebastian Sonntag erzählt Linda Zervakis außerdem, wie sie versucht, mit ihrem Podcast "Gute Deutsche" der Debatte um Migration eine etwas unterhaltsamere Note zu geben. Sie erzählt, weshalb der Kiosk, den die ihre Eltern eröffnet haben, sie so viel über das Leben gelehrt hat. Und sie spricht außerdem über ihre lustigsten Versprecher, die sie manchmal selbst sehr ärgern und ein anderes Mal wieder selbst sehr zum Lachen bringen. Einfach oben auf den Play-Button klicken, dann hört ihr das ganze Gespräch.

Shownotes
Deutschsein mit griechischen Wurzeln
Linda Zervakis: "Heimat kann auch ein Gefühl sein"
vom 08. November 2020