Die meisten Menschen suchen online nach potentiellen Partnern, die sie attraktiver finden als sich selbst, sagt eine neue Studie. Wir trauen uns online mehr zu. Außerdem spielt die Romantik scheinbar eine kleinere Rolle als im echten Leben.

In der im Fachblatt "Science Advances" veröffentlichten Studie kommen die Forscher der Universität Michigan zu dem Schluss, dass wir in der Regel Menschen suchen, die "außerhalb unserer Liga" spielen, sagt Martin Schütz von Deutschlandfunk Nova.

"Online-Dater schreiben Menschen an, die sie um ein Viertel attraktiver finden als sich selbst, sagt die Studie."
Martin Schütz, Deutschlandfunk Nova

Die Wissenschaftler haben versucht, eine Attraktivitätsskala für die Nutzer zu entwickeln, und sind sich sicher: Wir schreiben Menschen an, die wir um 25 Prozent attraktiver finden als uns selbst.

Wissenschaftliche Indikatoren für Attraktivität

Die Währung im Hinblick auf die Attraktivität sind für die Forscher die Nachrichten, die jemand beim Online-Dating bekommt. Indikatoren dafür, dass andere sie oder ihn für attraktiv halten:

  • Die Anzahl der Nachrichten
  • Die Länge der Nachrichten: je länger, desto wahrscheinlicher, dass sich potentielle Partner sehr viel Mühe geben
  • Die Anzahl der Profilbesuche

Nach Auswertung dieser Faktoren sind die Forscher am Ende zu dem Ergebnis gekommen: Wir sind online mutiger als im realen Leben und trauen uns eher mal, Leute anzuschreiben, die wir attraktiver finden als uns selbst.

Unverbindlich und weniger romantisch

Der Aspekt der Romantik ist beim Online-Date nicht so bedeutend wie bei einem analogen Date mit Rotwein und Kerzenschein. Online ist das Ganze viel unverbindlicher – aus Expertensicht geht das eher in Richtung Konsum: Die Psychologin Vera Hesse vergleicht Online-Dating mit einer Shopping-Tour im Supermarkt. Auch dort entscheide man sich natürlich eher für die guten oder sogar besten Produkte.

"Im Supermarkt möchte man auch nicht den welken Brokkoli oder den welken Blumenstrauß mit nach Hause nehmen."
Vera Hesse, Psychologin

Beim Verkauf der eigenen Person gehe es darum herauszufinden, wie der eigene Marktwert ist oder wie attraktiv man wahrgenommen wird. Wer etwas höher spiele, als sie oder er sich selbst einschätzt, könne sich da aufwerten, so Vera Hesse.

Absagen tun weniger weh

Und noch was scheint wichtig zu sein, so die Wissenschaftler aus Michigan: Weil ja verständlicherweise alle den "schönen Brokkoli" wollen, finden wir wohl eine Absage gar nicht so schlimm. Wir können uns dann nämlich wenigstens sagen: Ich habe es immerhin versucht. Aber es war ja ohnehin nicht meine Liga. 

Gleichzeitig poliert die Antwort einer Person, die wir attraktiver finden als uns selbst, natürlich unser eigenes Selbstbewusstsein auf.

"Das Risiko, eine Absage zu bekommen, ist geringer als die Chance, wahrgenommen zu werden."
Martin Schütz, Deutschlandfunk Nova

Außerdem ist die Chance, Erfolg zu haben, viel größer als das Risiko, enttäuscht zu werden. Vermutlich ist auch das ein Grund, warum Online-Dating-Portale so erfolgreich sind, glaubt Martin Schütz.

Empfehlung: Zügig Kaffee trinken gehen

Die Studie empfiehlt, mit dem ersten Date im Real Life nicht zu lange zu warten. Vorteil: Wir können den potentiellen Partner nicht zu sehr idealisieren, sagt die Psychologin Christiane Eichenberg von der Wiener Sigmund-Freud-Uni.

"Bevor man sich getroffen hat, idealisieren wir das Gegenüber häufig als den idealen Partner."
Christiane Eichenberg, Psychologin

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Shownotes
Tinder, OkCupid und Co.
Online-Dating macht uns mutiger
vom 09. August 2018
Moderation: 
Diane Hielscher
Gesprächspartner: 
Martin Schütz, Deutschlandfunk Nova