Der Strafprozess zur Loveparade-Katastrophe von 2010 könnte bald vorbei sein - ohne Urteil. Das Landgericht Duisburg hält das für denkbar. Die Hürden für ein Urteil vor Ablauf der Verjährungsfrist scheinen zu hoch.

Ein 3000 Seiten starkes Gutachten sagt, man hätte die Katastrophe am 24. Juli 2010 in Duisburg noch bis 16:31 Uhr am selben Tag verhindern können, berichtet Moritz Küpper, Dlf-Korrespondent für Nordrhein-Westfalen. 21 Menschen kamen damals ums Leben, mindestens sechs weitere sollen sich später das Leben genommen haben. Hunderte Menschen wurden verletzt oder sogar schwer verletzt. 

Einstellung des Prozesses ohne Auflagen?

Offiziell wollen sich Landgericht und Staatsanwaltschaft heute (17.01.) zu einer möglichen Einstellung des Prozesses äußern. Doch bereits beim Rechtsgespräch mit einigen der beteiligten Anwälte am Mittwoch (16.01.2019) sickerte durch, dass eine Einstellung des Verfahrens wahrscheinlich ist. In sieben von zehn Fällen soll das nach Ansicht des Landgerichts sogar ohne Auflagen geschehen.

"Das Gericht soll gesagt haben, dass sie das Verfahren gegen sieben der zehn Angeklagten ohne Auflagen einstellen möchte. In drei Fällen soll es gegen eine Geldauflage eingestellt werden."
Moritz Küpper, Dlf-Korrespondent für Nordrhein-Westfalen

Knapp 60 Personen haben sich getroffen, sowohl die Verteidiger der zehn Angeklagten, als auch die Nebenklägeranwälte. Es gibt zwei Hauptgründe, warum das Verfahren eingestellt werden könnte:

  1. Es ist scheinbar ungemein schwierig, den zehn Angeklagten nachzuweisen, dass ihr Handeln ursächlich war für die Katastrophe – das ist in einem Strafprozess aber ganz entscheidend.
  2. Das Problem der Verjährung: Anderthalb Jahre läuft der Prozess bis jetzt, 60 Zeugen sind bereits verhört worden, 575 Zeugen allerdings noch nicht. Es sind aber nur noch anderthalb Jahre Zeit bis zur Verjährungsfrist im Juli 2020.
"575 Zeugen bis Juli 2020 – man muss kein Mathematiker sein, um zu sehen, dass das schwierig werden könnte."
Moritz Küpper, Dlf-Korrespondent für Nordrhein-Westfalen

Das Strafprozess zum Loveparade-Unglück ist ein Mammutverfahren, berichtet Moritz Küpper. Weil er so komplex ist, findet der Prozess nicht in Duisburg, sondern in den Düsseldorfer Messehallen statt, die für sehr viel Geld angemietet werden müssen.

Unterschiedliche Bewertungen

Nach Bekanntwerden des möglichen Prozessabbruchs waren vor allem die Angehörigen der Opfer aus dem Ausland - etwa aus Spanien oder China - schockiert, so Moritz Küpper. Julius Reiter, der Anwalt der Angehörigen eines der Opfer, klang dagegen so, als ob er einem Ende des Verfahrens zustimmen würde. 

"Wichtig ist, dass Feststellungen getroffen werden, die den Opfern Möglichkeiten an die Hand geben, dass sie ihre Ansprüche gegen einzelne Beteiligte und gegen die Institutionen geltend machen können."
Julius Reiter, Anwalt der Angehörigen eines der Opfer

Auch die Vertreter der Nebenkläger haben gesagt, sie könnten einem Prozessabbruch unter gewissen Bedingungen zustimmen – und zwar, wenn eine "gewisse Verantwortung" der Angeklagten festgestellt würde. Denn das öffne die Türen, nach dem (ohne Urteil) abgeschlossenen Strafprozess einen Zivilprozess anzustrengen.

Update: Die Richter erklärten am Nachmittag (17.01.2019), dass neben Planungsfehlern ein kollektives Versagen einer Vielzahl von Menschen für das Unglück mitverantwortlich seien. Den Angeklagten sei nach einer vorläufigen Bewertung nur eine geringe bis mittelschwere Schuld nachweisbar.

Mit einer Entscheidung, ob und wie es im Loveparade-Prozess nun weitergeht, ist erst in einigen Wochen zu rechnen, wenn sich alle Beteiligten einig sind. Sie sollen bis zum 5. Februar erklären, wie sie zum Vorschlag des Gerichts stehen.

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Shownotes
Vorschlag des Landgerichts Duisburg
Gericht empfiehlt, Loveparade-Prozess einzustellen
vom 17. Januar 2019
Moderation: 
Till Haase
Gesprächspartner: 
Moritz Küpper, Dlf-Korrespondent für Nordrhein-Westfalen