Laut einer Umfrage wünschen sich rund 69 Prozent der Deutschen ein umfassendes Verbot für Tabakwerbung. Trotzdem gibt es sie noch in Deutschland, gerade Außenwerbung – das ist sonst anders in der Europäischen Union.
69 Prozent von 1003 Befragten sind für ein vollständiges Verbot von Tabakwerbung in Deutschland. Das ist das Ergebnis einer Forsa-Umfrage im Auftrag der Deutschen Versicherungswirtschaft, die von der dpa zitiert wird. Rund 75 Prozent wünschen sich zudem höhere Steuern für Tabak, um Rauchen so noch unattraktiver zu machen. Und laut einer Studie, die das Heidelberger Krebsforschungszentrum durchgeführt hat, sind fast genauso viele Raucher gegen Tabakwerbung wie Nichtraucher.
Vielseitige Werbemöglichkeiten für Tabakindustrie in Deutschland
Zwar gibt es schon Verbote für Tabakwerbung in Radio, Fernsehen, Zeitungen und Zeitschriften, dennoch ist sie präsent in Deutschland. Deutschlandfunk-Nova-Reporter Timo Nicolas hat sich mal umgeschaut: Tabakwerbung findet sich nicht nur in Form von Außenwerbung, also zum Beispiel auf Plakaten. Es gibt sie auch auf Veranstaltungen, also zum Beispiel Festivals, oder in den Läden selbst. Das sagt auch Kathrin Schaller vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg.
"Wo auch noch massiv Werbung stattfindet, ist am Verkaufsort, also in den Läden selber. In Tabakläden, aber auch in Tankstellen zum Beispiel oder im Supermarkt an der Kasse."
Dazu gehören auch Promotion-Aktionen – zum Beispiel, wenn wir auf einem Festival oder im Supermarkt angesprochen werden, ob wir bei einem Gewinnspiel eines Tabakherstellers mitmachen wollen und dann unsere E-Mail-Adresse hinterlassen. Dann dürfen die Firmen uns legal per Mail Werbung schicken. Was auch geht: Tabakwerbung im Kino – hier ist sie ab 18 Uhr erlaubt.
Starke Tabaklobby
Der Grund für die vielseitigen Werbemöglichkeiten laut Kathrin Schaller: eine starke Tabaklobby. Deutschland ist mittlerweile das einzige EU-Land, in dem Außenwerbung für Tabak noch erlaubt ist.
"In Deutschland ist es so, dass die Tabakindustrie relativ stark ist. Die betreibt intensive Lobbyarbeit und hat es bisher verhindert, dass Deutschland auch ein Verbot der Tabakaußenwerbung bekommen hat, so wie andere Länder das haben."
Für Daniel Kotz, Suchtforscher an der Uni Düsseldorf, ist die Tabakwerbung, die oft Unabhängigkeit und Freiheit verspricht, ein Hohn: "Wenn Sie Raucherinnen und Raucher sprechen, die in der Kälte im Regen draußen vorm Gebäude stehen, weil sie drinnen nicht mehr rauchen dürfen, die ihr letztes Geld ausgeben für Zigaretten, weil sie süchtig sind, die versuchen mit dem Rauchen aufzuhören, es nicht schaffen, Schwangere, die rauchen - hat das mit Freiheit überhaupt nichts zu tun."
Die Tabakaindustrie hat lange damit argumentiert, dass ihre Werbung nur auf Raucher abzielt: Man wolle mit der Werbung nur Menschen, die ohnehin bereits rauchen, von der eigenen Marke überzeugen und seinen Marktanteil ausbauen. Doch natürlich sehen auch Jugendliche die großen Plakat-Werbungen in der Stadt oder die Werbespots im Kino. Und das bringt sie tatsächlich zum Rauchen, sagt Daniel Kotz.
"Studien haben gezeigt, dass das tatsächlich dazu führt, dass Jugendliche, junge Menschen mit dem Tabakkonsum überhaupt erst anfangen und dann auch zu regelmäßigen Konsumenten werden."
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat daraus auch Konsequenzen gezogen, sagt der Suchtforscher: Es gibt eine Rahmenkonvention der WHO, die Deutschland im Jahr 2004 ratifiziert und sich verpflichtet hat, Tabakwerbung abzuschaffen, erklärt er. Daniel Kotz glaubt, dass die Tabakindustrie dafür verantwortlich ist: "Ich kann mir das eigentlich nur so erklären, dass die Tabak-Lobby einen sehr großen Einfluss ausübt auf die Entscheidungsträger, und über den Weg versucht zu verhindern, dass ein solches Tabak-Werbeverbot kommt."
Und auch viele Kommunen haben ein Interesse daran, dass die Plakat-Werbung für Zigaretten erlaubt bleibt. Denn der Verkauf von Werberechten an Bushaltestellen oder Litfaßsäulen bringt Geld für die Stadtkassen - und die Tabakbranche ist hier der wichtigste Kunde.
Neues Gesetz zur Einschränkung des Tabakkonsums
Im Bundestag gibt es schon seit Jahren Bestrebungen für ein neues Gesetz, das den Tabakkonsum einschränken soll – offenbar ist das regelmäßig an der Unionsfraktion gescheitert, sagt unser Reporter Timo Nicolas. Mittlerweile scheint es aber voranzugehen: Die zuständigen Fachpolitiker in der Koalition hätten sich schon geeinigt. Ein wichtiger Schritt, allerdings gehe es dabei nicht um ein umfassendes Verbot für Werbung – sondern eines für Kino- und Außenwerbung.
Schlupflöcher ermöglichen Werbung neuer Produkte
Ein weiteres Problem: neue Produkte wie E-Zigaretten. Bei denen ist nicht ganz sicher, ob sie vom Werbeverbot betroffen wären – denn die Richtlinien, nach denen sich der Gesetzgeber richtet, stammen von der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Die sind schon älter und enthalten keine spezifischen Richtlinien zu E-Zigaretten. Es geht nur um Tabak, E-Zigaretten enthalten aber Liquids, also Flüssigkeiten mit Nikotin.
"E-Zigaretten werden permanent weiterentwickelt. Da gibt es immer wieder neue Sachen. Und womöglich kommt wieder etwas auf dem Markt, was nicht unter den Begriff E-Zigarette fällt, aber auch kein Tabakprodukt ist."
Und selbst, wenn E-Zigaretten mit in die WHO-Richtlinien aufgenommen werden: Es gibt trotzdem Hintertüren, sagt Kathrin Schaller. Zum Beispiel ganz neue Produkte, die nicht als Tabakprodukte definiert werden können.
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