400.000 neue Wohnungen müssten jedes Jahr neu gebaut werden - etwa ein Viertel davon Sozialwohnungen. Das Problem ist bekannt, es passiert aber nichts. Warum eigentlich? Wir haben darüber mit Volker Eichener, Professor für Politikwissenschaften mit den Schwerpunkten Wohnungsmarkt und sozialer Wohnungsbau gesprochen.

Volker Eichener hat schon vor längerer Zeit gesagt: "Wohnungsbau muss zur Chefsache werden." Allerdings hat bis heute niemand seinen Rat befolgt. Eichener sagt: "Man hört die Bundeskanzlerin nur selten vom Wohnungsbau und von Wohnungsbauförderung reden." Der Politikwissenschaftler findet es nicht richtig, dass wir kein Bundesbauministerium mehr haben, so wie es das früher einmal gab. Heute ist das Thema Wohnungsbau dem Innenministerium unterstellt.

"Wir haben nur noch eine Bauabteilung im Bundesinnenministerium."
Volker Eichener, Professor für Politikwissenschaften mit den Schwerpunkten Wohnungsmarkt und sozialer Wohnungsbau

Eichener sagt, es gebe zwar eine Bauabteilung im Bundesinnenministerium. Das Thema Wohnen würde dort allerdings nicht wirklich ernst genommen: "Ehrlich gesagt, Horst Seehofer scheint ganz andere Themen auf seine Agenda zu setzen als das Thema Wohnen. Das scheint noch nicht einmal den zuständigen Minister zu interessieren."

Bauflächen freigeben, Wohnungen bauen, Bauanträge zügig bearbeiten – der Politikwissenschaftler sagt, dass alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden müssten, um etwas für den Wohnungsbau zu tun. Die Kommunen müssten Grundstücke ausweisen und Planungsprozesse beschleunigen, die Länder müssten Wohnungsbauförderung ausweiten.

Zu wenig Förderung

Und auch der Bund könne eine Menge tun, zum Beispiel seine Mittel für den sozialen Wohnungsbau aufstocken: "Das sind zurzeit 518 Millionen Euro, das ist ein Promillebetrag des Bundeshaushalts, der ist kaum messbar und soll auch noch 2019 auslaufen und ersatzlos gestrichen werden." Das Gegenteil müsse gemacht werden, sagt Eichener. Außerdem müsse der Bund an der steuerlichen Förderung schrauben.

Eichener hält viele Bauvorschriften für übertrieben

Wohnen ist auch deswegen teuer, weil es viele Vorschriften für die Eigentümer und Investoren gibt, so Eichener. Barrierefreiheit, Energieeffizienz, Abwassermanagement – das seien Themen, die in den vergangenen Jahren extrem hoch gehangen worden seien: "Da darf man sich nicht wundern, wenn die Wohnungsbau-Fertigstellungen zurückgehen."

Es sei eine Frage des Abwägens, meint Eichener, etwa bei der Dämmung von Gebäuden: "Die letzten 10 Prozent der Energieeffizienz erfordern 80 Prozent der Kosten. Da kann man, glaube ich, auch vernünftigere Kompromisse finden." Er hält nichts davon, dass die Bauvorschriften beim Thema Energiesparen immer länger werden.

"Wohnungsmärkte sind Tanker, die nur langsam ihren Kurs ändern."
Volker Eichener, Professor für Politikwissenschaften mit den Schwerpunkten Wohnungsmarkt und sozialer Wohnungsbau

Volker Eichener blickt sehr skeptisch auf die nahe Zukunft, wenn es darum geht, ob sich die Politik demnächst ändern könnte. Der Politikwissenschaftler sagt: "Wohnungsmärkte sind Tanker, die nur langsam ihren Kurs ändern." Außerdem sehe er nach wie vor nicht die politische Entschlossenheit, das Problem wirklich anzugehen.

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Shownotes
Wohnungsbauexperte
"Das Thema Wohnen scheint nicht einmal den zuständigen Minister zu interessieren"
vom 19. Juli 2018
Gesprächspartner: 
Volker Eichener, Professor für Politikwissenschaften
Moderator: 
Ralph Günther