Künstliche Intelligenzen werden immer wichtiger. Sie bedrohen aber auch ganze Geschäftsfelder. Deutsche Verlage bringen jetzt eine Art Lizenzgebühr ins Spiel, wenn eine KI frei zugängliche oder durch Paywall geschützte Artikel wiedergibt.

Es ist sehr wahrscheinlich, dass uns Künstliche Intelligenzen in naher Zukunft Referate und Hausarbeiten schreiben, Büroarbeiten erledigen oder uns Essenspläne für eine ganze Woche erstellt. Und das sind nur ein paar Beispiele.

ChatGPT von OpenAI, hinter dem Microsoft steht, hat den Anfang gemacht. Googles Bard steht in den Startlöchern, vermasselte allerdings den ersten Auftritt. Und Baidu, die dominierende Suchmaschine in China, hat für März ebenfalls ein KI-Tool angekündigt, Ernie soll es heißen.

Verlage sehen Geschäftsmodell in Gefahr

Problem: KIs zerstören womöglich ganze Geschäftsmodelle und gefährden Unternehmen – zum Beispiel Verlage. Der Bundesverband der Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) und der Medienverbands der freien Presse (MVFP) wollen Künstliche Intelligenzen deshalb einschränken oder die Betreiber zumindest bezahlen lassen, berichtet der Tagesspiegel.

"Die Ergebnisse einer Recherche werden veröffentlicht – aber für den Artikel wird weder direkt noch indirekt per Werbung bezahlt."
Konstantin Köhler, Deutschlandfunk-Nova-Netzreporter

Eine Zeitung oder ein Onlinemagazin recherchiert ein Thema – das kostet Arbeitszeit und Ressourcen und damit will der Verlag natürlich auch Geld verdienen. Eine KI ist imstande, den Artikel vollautomatisch zu erfassen – auch dann, wenn der Artikel hinter einer Bezahlschranke liegt. Und möglicherweise macht die KI diese Informationen dann eben den User*innen zugänglich.

Die Ergebnisse der Recherche würden also veröffentlicht, aber für den Artikel wird nicht auf direktem Weg bezahlt. Und indirekte Einnahmen gibt es für die Verlage auch nicht, weil sich niemand die Werbung auf der Zeitungswebsite anguckt. Deshalb fordern die Verlage eine Vergütung, wenn Chatbots oder andere Künstliche Intelligenzen Presseinhalte nutzen.

Leistungsschutzrecht vs. nicht lizenzpflichtige Presseveröffentlichung

Zwei Rechte stehen sich gegenüber: Zum einen das Leistungsschutzrecht, nach dem Presseverleger das ausschließliche Recht haben, ihre Artikel zu veröffentlichen. Andere dürfen das eben nur gegen Gebühr, selbst wenn nur Auszüge veröffentlicht werden.

Andererseits gibt es da aber eine Ausnahme. Im entsprechenden Gesetz heißt es: "Die Nutzung der in einer Presseveröffentlichung enthaltenen Tatsachen" ist davon ausgenommen. Wenn in einem Artikel also steht "Es ist ein Außerirdischer auf der Erde gelandet", dann darf diese Information verbreitet werden, ohne dass jemand Geld dafür bezahlen muss.

"Was macht eine KI? Tatsachen verbreiten oder einen ganzen Artikel wiedergeben? Genau das ist zurzeit noch ungeklärt – und wird noch für viele Diskussionen sorgen."
Konstantin Köhler, Deutschlandfunk-Nova-Netzreporter

Die große Frage lautet: Was macht eine Künstliche Intelligenz denn eigentlich genau? "Einfach" Tatsachen verbreiten oder doch eher mehr oder weniger einen ganzen Artikel wiedergeben? Genau das ist zurzeit noch ungeklärt – und wird noch für viele Diskussionen sorgen.

Dass ein Artikel von einer KI erfasst wurde, zu überprüfen und nachzuweisen, ist bei einer exklusiven, investigativen Recherche noch einigermaßen gut möglich – in mehr oder weniger allen anderen Fällen aber äußerst schwierig. Es wird bereits jetzt an Software geforscht, die KI-generierte Texte erkennen soll. Im Zweifelsfall werden solche Fälle in Zukunft wohl vor Gericht landen, wo Gutachter*innen dann manuell prüfen müssen, was eine zulässige Weitergabe von Tatsachen und was eine unzulässige Verbreitung geschützer Inhalte ist.

Warum erst jetzt?

Tatsächlich hätte man sich diese Gedanken auch schon vor mehreren Jahren machen können, findet Deutschlandfunk-Nova-Netzreporter Konstantin Köhler. Jahrelang sei die Tatsache, dass KIs unseren Alltag und unser Arbeitsleben massiv verändern werden, bekannt gewesen. Eine KI, die sinnvoll Texte generieren kann, war allerdings noch Theorie. Durch ChatGPT (und dessen Konkurrenten) ist sie jetzt „plötzlich“ da – und sehr viele Player beginnen einigermaßen hektisch darüber nachzudenken, welche Folgen das alles haben könnte.

"Ich würde das so einschätzen: Jahrzehntelang war eine Künstliche Intelligenz, die sinnvoll Texte generieren kann, Theorie. Man wusste: Das geht wohl irgendwie, aber es gab praktisch halt keine. ChatGPT hat alles auf den Kopf gestellt."
Konstantin Köhler, Deutschlandfunk-Nova-Netzreporter

Spannend wäre übrigens auch der umgekehrte Fall – wenn ein Verlag für seine Recherchen ChatGPT nutzt. Womöglich melden sich dann irgendwann die Betreiber von künstlichen Intelligenzen bei den Verlagen und wollen eine Gebühr. Wobei das natürlich nicht nur für Verlage gilt. Es wird hunderte und tausende Anwendungsfälle geben, wo mithilfe von ChatGPT und anderen Angeboten Geld verdient wird.

Shownotes
ChatGPT, Ernie und Bard
Verlage fordern Gebühren, wenn KI Artikel umtextet
vom 15. Februar 2023
Moderation: 
Diane Hielscher
Gesprächspartner: 
Konstantin Köhler, Deutschlandfunk-Nova-Netzreporter