Vor Kurzem ist ein Jugendlicher in einer Polizeiwache in Dortmund aufgetaucht, weil er sich an nichts mehr erinnern kann. Neurowissenschaftler Henning Beck sagt, dass wir das Gedächtnis nicht verlieren können, weil es keinen festen Ort hat.

Wir können unser Gedächtnis nicht verlieren, weil es niemals irgendwo gewesen ist, sagt der Neurowissenschaftler Henning Beck. Das Gedächtnis hat keinen festen Platz in unserem Kopf. Stattdessen werden die Erinnerungen im Gehirn immer wieder neu erzeugt, immer dann, wenn ich mich an etwas erinnere. Es gibt einige Regionen in unserem Hirn, die dafür zuständig sind, das Großhirn zu trainieren, sich an wichtige Dinge zu erinnern. 

Beispielsweise die "Kurzzeitregion", die all das "warm und bewusst hält", was wir gerade erleben, sagt Henning Beck. Das Großhirn wird dabei trainiert, bestimmte Erinnerungsmuster leichter hervorrufen zu können. 

"Das Gedächtnis ist nicht irgendwo im Kopf, sondern es wird immer wieder neu erzeugt. So wie ein Orchester, das spielt ja auch eine Musik immer wieder neu."

Immer und immer wieder werden dem Großhirn bestimmte Gedächtnismuster angeboten, das signalisiert dem Hirn, dass diese Informationen wichtig sind. Es passt seine Netzwerke so an, dass es diese Muster leicht wieder hervorrufen kann, sagt der Neurowissenschaftler. Das Gedächtnis wird also nicht an einem bestimmten Ort abgelegt. Es handelt sich beim Gedächtnis um eine Fähigkeit des Gehirns, ein Muster hervorzurufen. 

"Den ersten Kuss vergisst man nie, weil das emotional so bedeutsam war, dass es für immer behalten wird."

Damit wir uns an etwas erinnern können, spielt es eine Rolle, ob diese Informationen auch zu einem späteren Zeitpunkt noch für uns relevant ist. Gefühle spielen dabei auch eine Rolle. Viele von uns können sich beispielsweise daran erinnern, wo sie waren, als Deutschland Fußballweltmeister geworden ist. 

Wenn wir uns an biografische Ereignisse nicht mehr erinnern können, dann nervt uns das am meisten, sagt Henning Beck. Dadurch fallen uns diese Lücken auch eher auf, als wenn wir uns an irgendwelche Fakten nicht erinnern, die wir zum Beispiel im Studium gelernt hatten.

"Langfristige Gedächtnislücken haben meistens organische Ursachen, verursacht durch einen starken Schlag auf den Kopf oder Durchblutungsstörungen. Es ist schwierig, das Gedächtnis komplett auszulöschen, weil das Gehirn immer noch ein paar Muster erzeugen kann.

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Shownotes
Gedächtnisverlust
Wenn die Erinnerung plötzlich weg ist
vom 13. Januar 2018
Moderator: 
Sonja Meschkat
Gesprächspartner: 
Henning Beck, Neurowissenschaftler