Das Geschichtsverständnis des AfD-Vorsitzenden wirft Fragen auf. Wofür stehen die Jahre 1933 bis 1945 im historischen Zusammenhang? Darüber haben wir mit einem Historiker gesprochen.

Der AfD-Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland hat sich beim Bundeskongress der Jungen Alternativen erneut revisionistisch geäußert. Am 2. Juni sagte er vor der Nachwuchsorganisation seiner Partei: "Hitler und die Nazis sind nur ein Vogelschiss in über 1000 Jahre erfolgreicher deutscher Geschichte." (Zitat im Audio)

Wir haben mit Matthias von Hellfeld über Alexander Gaulands Geschichtskonzept gesprochen. Matthias von Hellfeld ist Historiker und Redakteur bei Deutschlandfunk Nova und kümmert sich um die Sendung Eine Stunde History. Er sagt, dass Erfolg kein historischer Maßstab ist. Geschichte und Geschichtsforschung sind für ihn gleichbedeutend mit Quellenarbeit.

"Der Historiker kennt das Wort Erfolg im Zusammenhang mit seiner Erforschung nicht."
Matthias von Hellfeld, Redakteur bei Deutschlandfunk Nova und Historiker

Das bedeutet: Aus verschiedensten mündlichen und schriftlichen Überlieferungen erarbeitet der Historiker ein Bild der Vergangenheit. Eine Bewertung nimmt ein Historiker dann frühestens am Ende seiner Arbeit im Kommentar vor.

Auf die Römer folgen Stämme

Matthias von Hellfeld unterstellt, dass der AfD-Fraktionsvorsitzende an den NS-Propagandabegriff des 1000-jährigen Reiches anknüpfen möchte. Adolf Hitler bezeichnete seine Diktatur als "Drittes Reich", das "tausend Jahre" dauern werde.

Anlass für Matthias von Hellfeld, die historische Entwicklung sehr knapp zusammenzufassen: Die Geschichte der Deutschen beginnt für ihn irgendwo bei den Germanen mit der Varusschlacht vor rund 2000 Jahren. Danach traten germanische Stämme vor allem östlich des Rheins die Nachfolge des römischen Imperiums an: die Franken, die Merowinger, die Sachsen, die Ottonen und weitere.

Vom Rheinbund zum Kaiserreich

Karl der Große – gekrönt vom Papst am Weihnachtstag 800 –  legte dann mit seinem Fränkischen Reich die Grundlage für das spätere Heilige Römische Reich Deutscher Nation. Dieses Reich hatte im Mittelalter eine Ausdehnung von Kiel bis südlich von Rom. Seine Grenzen waren keineswegs fest. Von einem Staat oder Nationalstaat kann auch wegen der nur wenigen Reichsinstitutionen keine Rede sein. Es hatte keine Verfassung und kein Reichsbürgerrecht.

1806 gründete der französische Kaiser Napoleon den Rheinbund und pulverisierte damit verschiedene deutsche Bünde. Dieses Staatengebilde stand unter französischem Protektorat. 1871 wird dann mit der deutschen Kaiserkrönung das Deutsche Reich gegründet – geografisch klar definiert. Im Anschluss kommt Matthias von Hellfeld zum 20. Jahrhundert.

Aus historischer Sicht treten die vergleichsweise wenigen Jahre der NS-Diktatur deutlich hervor. Durch mindestens zwei Dinge unterscheidet sich Deutschland für Matthias von Hellfeld in der Zeit 1933 bis 1945 von anderen Staaten Europas:

  • Dadurch, dass der NS-Staat den Massenmord an den europäischen Juden und weiteren Minderheiten organisiert und durchführt hat.
  • Dadurch, dass Rassismus während der NS-Diktatur zur Staatsräson wurde.
"Das eine ist der Holocaust und zum ersten Mal in der Geschichte Europas ist Rassismus zur Staatsräson erhoben worden. Das hebt diese zwölf Jahre hervor."
Matthias von Hellfeld, Redakteur bei Deutschlandfunk Nova und Historiker

Mehr zum Thema AfD und Deutsche Geschichte bei Deutschlandfunk Nova:

Shownotes
Historiker zur Äußerung von Gauland
Erfolgreiche Geschichte gibt es nicht
vom 04. Juni 2018
Moderator: 
Ralph Günther
Gesprächsparter: 
Matthias von Hellfeld, Dlf-Nova-Redakteur und Historiker