Deutsche und französische Polizisten arbeiten zusammen, doch vor dem Anschlag in Straßburg hakte es: So wussten deutsche Behörden nicht, dass der mutmaßliche Attentäter in Frankreich als islamistischer Gefährder galt. Was könnte eine europaweite Gefährder-Datei bringen?
Nach dem Anschlag von Straßburg fordern Politiker eine bessere europäische Zusammenarbeit im Antiterror-Kampf. "Ich würde mir wünschen, wir hätten eine gemeinsame europäische Antiterror-Datei", sagte CDU-Innenpolitiker Armin Schuster im ARD-Morgenmagazin. "Dann hätten auch die Deutschen gewusst, dass Chérif Chekatt als Gefährder in Frankreich geführt wird." Die Informationspolitik müsse verbessert werden.
Tatsächlich war Cherif Chekatt von den französischen Behörden als Gefährder in der Extremistendatei Fiché S registriert. Er wurde vom Inlandsgeheimdienst DGSI überwacht. Doch davon wussten die Sicherheitsbehörden in Deutschland nichts - obwohl Chekatt in Straßburg wohnte, also direkt an der deutschen Grenze.
Der Fall mache deutlich, dass es "im System hakt", sagt der ARD-Terrorismusexperte Michael Götschenberg.
"Eine solche Datei hätte den Anschlag mit Sicherheit nicht verhindert. Aber dieser Fall macht eben deutlich, wo es hakt im System."
Michael Götschenberg sagt, die deutschen Sicherheitsbehörden hätten sich den Fall sicher schon im Vorfeld genauer angesehen, wenn sie die entsprechenden Informationen gehabt hätten. "Wenn wir einen terroristischen Hintergrund vermuten, sind die Zugriffsmöglichkeiten der Polizei ganz andere", sagt er.
Wer gilt als Gefährder?
Cherif Chekatt, der mutmaßliche Schütze von Straßburg, ist französischer Staatsbürger und saß in Deutschland unter anderem wegen Einbruch und schwerem Diebstahl in Haft. Den französischen Behörden war der 29-Jährige seit 2015 als radikalisiert bekannt.
"Selbst wenn wir Dateien haben, heißt das noch lange nicht, dass die Namen da tatsächlich drin stehen."
Doch was nützen Dateien, wenn sie nicht gepflegt werden? Michael Götschenberg sagt, selbst in bestehenden, gemeinsamen Dateien war Cherif Chekatt nicht aufgeführt. Und es gibt noch ein weiteres, tieferes Problem bei der Sache: Denn jedes Land definiere anders, wer Gefährder ist und wer nicht. Es hapere also schon an der Frage, wen man in diese Datei konkret aufnehmen würde.
"Wir haben völlig unterschiedliche Definitionen davon: Was ist eigentlich ein islamistischer Gefährder?"
Bei dem Anschlag in der Straßburger Innenstadt waren am Dienstagabend drei Menschen getötet worden. Ein weiteres Opfer ist hirntot, zwölf Menschen wurden teilweise schwer verletzt.
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