Seit Jahrzehnten nehmen die Zahl und die Vielfalt der Insekten in Deutschland ab. Nicht nur für die Insekten selbst ist das ein Problem. Auch der Vogelbestand leidet darunter, und wir Menschen haben wirtschaftliche Nachteile dadurch. Drei Kurzvorträge im Hörsaal erklären, wie schlimm es um die Insekten bestellt ist, welche Folgen ihr Rückgang hat, warum sie immer weniger werden, und was dagegen getan werden muss.

Der Insektenrückgang ist ein bundesweites Problem, sagt die Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz Beate Jessel und stellt in ihrem Vortrag eine Vielzahl von Studien vor, die das belegen. Gleichzeitig macht sie deutlich, was für Folgen diese Entwicklung hat – auch für uns Menschen, auch wirtschaftlich: So liefern Bestäuber einen enormen Beitrag zur Volkswirtschaft - ihre Leistung wird auf über eine Milliarde Euro geschätzt, erklärt Jessel.

"Der volkswirtschaftliche Wert der Produktion, die direkt von der Bestäubung durch Insekten abhängt, wird alleine für Deutschland auf 1,13 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt."
Beate Jessel, Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz und promovierte Landespflegerin

Hauptschuld am Insektenrückgang: unsere Landnutzung

Unter den vielfältigen Ursachen macht sie als bedeutenden Faktor vor allem die Landwirtschaft aus, die zur Strukturverarmung unsere Landschaft beitrage und immer mehr Pflanzenschutzmittel verwende. Besseres Monitoring und kurzfristige Maßnahmen können das Problem ihres Erachtens nicht lösen. 

"Was wir brauchen, ist ein echter Systemwechsel in der Agrarpolitik."
Beate Jessel, Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz und promovierte Landespflegerin

Das bestätigt auch der Biologe Josef H. Reichholf in seinem Vortrag. Seit den 70er Jahren forscht er in Bayern zur Entwicklung der Insektenzahlen. In den Wäldern und Städten sieht es demnach nicht so schlimm aus, aber für die offenen Landschaften präsentiert er erschütternde Zahlen: Laut seinen Forschungen ist die Insektenhäufigkeit in den Fluren Südostbayerns zwischen 1969 und heute auf vier Prozent des Ausgangsbestandes zurückgegangen.

Biene
© Deutschlandfunk Nova

Bioenergie-Produktion verantwortlich für Artensterben

Der Rückgang, so seine Beobachtung, habe sich parallel zu der Ausweitung des Maisanbaus in Bayern entwickelt. Er macht daher die Bioenergieproduktion verantwortlich für einen Großteil des Insektenartenschwundes. 

"Die Produktion von Bioenergie verursachte den bislang größten Artenschwund in Deutschland."
Josef H. Reichholf, Zoologe, Evolutionsbiologe und Ökologe

Auch der dritte Redner, der Ökologe Wolfgang W. Weisser, sieht unsere Landnutzung als einen Hauptgrund für den Rückgang von Diversität und nicht – wie manchmal behauptet wird – den Klimawandel. Trotzdem sieht er die Verantwortung nicht allein bei den Landwirten, denn die bräuchten Beratung. 

"Es reicht nicht, mit dem Finger auf die Landwirte zu zeigen, sondern die Landwirte müssen beraten werden."
Wolfgang W. Weisser, Ökologe

Und da kommt die Wissenschaft ins Spiel. Vielerorts wird von ihr eine stärkere Beteiligung gefordert. Aber: Vieles ist eigentlich schon erforscht und klar, sagt Weisser, wenngleich die Wissenschaft sicher noch weiter helfen könne. Und es gebe auch längst Gesetze, die nützen würden. Diese müssten nur angewendet werden. Er sieht vor allem die Politik in der Pflicht. 

Aufgezeichnet wurden die drei Vorträge am 19. März 2018 im Rahmen des Vortragsabends "Insektensterben: 'Der stumme Frühling'?" vom Veranstalter, der Bayerischen Akademie der Wissenschaften

Mehr zum Thema:

Shownotes
Insektensterben
Summ, summ… stumm
vom 27. Mai 2018
Moderation: 
Katrin Ohlendorf
Vortragende: 
Beate Jessel (Bundesamt für Naturschutz), Josef H. Reichholf (Technische Universität München), Wolfgang W. Weisser (Technische Universität München)