Tiktok und Instagram sind voller Videos, die uns Symptome von psychischen Krankheiten erklären. Das ist zwar wichtig, führt oft aber zu gefährlichen Selbstdiagnosen, sagt die Psychotherapeutin Rammiya Gottschalk.
Wenn wir uns kränklich fühlen, dann geben viele von uns die Symptome in eine Suchmaschine im Internet ein, statt einen Arzt oder eine Ärztin aufzusuchen. Oft ist das Ergebnis beängstigend und spuckt uns nicht selten eine schlimme, vielleicht unheilbare Krankheit aus, von der wir wahrscheinlich noch nie gehört haben.
Australische Forschende von der Edith Cowan University fanden im Rahmen einer Studie heraus, dass die Zuverlässigkeit von Selbstdiagnose-Angeboten im Internet stark schwankt. Im Schnitt gaben die lediglich in rund einem Drittel der Fälle einen sinnvollen Hinweis. In der überwiegenden Mehrzahl führte die Recherche im Internet die Suchenden auf eine falsche Fährte.
Videos können die Ärztin nicht ersetzen
Einen ähnlichen Wiedererkennungseffekt von Krankheitssymptomen kann die Psychotherapeutin Rammiya Gottschalk in den sozialen Medien, vor allem auf Tiktok und Instagram, beobachten. Sie selbst leistet dort als @fraupsychologin Aufklärungsarbeit und versieht ihre Videos regelmäßig mit dem Hinweis "keine Selbstdiagnosen".
"Man erkennt drei Sachen bei sich wieder und dann denkt man sich: 'Oh, das passt ja, dann hab ich eine Depression.'"
Aus der eigenen Erfahrung weiß Rammiya Gottschalk, dass Videos zu typischen Symptomen einer psychischen Erkrankung in den Sozialen Medien besonders beliebt sind. Zwar leisten die auch wichtige Aufklärungsarbeit und sensibilisieren Nutzende für Krankheitsbilder, doch zu oft würden sich Zuschauerinnen damit auch Selbstdiagnosen stellen. "Ich sage beispielsweise in einem Video, dass die typischen Symptome einer Depression Antriebslosigkeit, Interessensverlust und Selbstzweifel sind", erklärt sie. Diese Symptome könnten viele Menschen dann bei sich erkennen und sich so eine Depression attestieren.
"Das ist gefährlich, denn die drei Sachen allein reichen nicht aus, um eine Depression diagnostiziert zu bekommen", sagt Rammiya Gottschalk. Insbesondere psychologische Diagnosen seien sehr individuell, da es unterschiedlichste Symptome gebe. Beim Verdacht auf eine psychische Erkrankung rät sie deshalb immer zu professioneller Hilfe: "Das kann immer nur ein Facharzt oder ein Psychotherapeut diagnostizieren."
Lasst euch helfen!
Bestimmte Dinge beschäftigen euch im Moment sehr? Ihr habt das Gefühl, in einer ausweglosen Situation zu stecken? Wenn ihr euch im Familien- und Freundeskreis keine Hilfe suchen könnt oder möchtet, findet ihr hier einige anonyme Beratungs- und Seelsorgeangebote:
- Telefonseelsorge: Unter 0800 – 111 0 111 oder 0800 – 111 0 222 erreicht ihr rund um die Uhr Mitarbeiter, mit denen ihr über eure Sorgen und Ängste sprechen könnt. Auch ein Gespräch via Chat oder E-Mail ist möglich.
- Kinder- und Jugendtelefon: Der Verein "Nummer gegen Kummer" kümmert sich vor allem um Kinder und Jugendliche, die in einer schwierigen Situation stecken. Erreichbar montags bis samstags von 14 bis 20 Uhr unter der Rufnummer 116 111.
- Muslimisches Seelsorge-Telefon: Die Mitarbeiter von MuTeS sind 24 Stunden unter 030 – 44 35 09 821 zu erreichen. Bei MuTeS arbeiten qualifizierte Muslime ehrenamtlich. Ein Teil von ihnen spricht auch türkisch.
- Hier findet ihr eine Übersicht von Telefon- und Online-Beratungen in Deutschland: suizidprophylaxe.de.
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